22 Verbände der Agrar-, Gartenbau- und Ernährungswirtschaft haben anlässlich der Bildung einer neuen Bundesregierung ein Positionspapier zum Umgang mit neuen genomischen Techniken in der Landwirtschaft vorgelegt.
Das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel, die Züchtung von klimarobusten Pflanzen zu unterstützen, begrüßen sie dabei ausdrücklich. Unverständlich sei hingegen, dass das Potenzial der neuen genomischen Techniken in diesem Zusammenhang unerwähnt bleibt.
Produktivität in Gefahr
Die Verbände erinnern daran, dass die weltweite Landwirtschaft vor großen Herausforderungen stehe: Ernährungssicherung, Bewältigung des Klimawandels, Schutz von Umwelt und Biodiversität bei gleichzeitiger Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Umsetzung der Farm-to-Fork-Strategie der EU-Kommission und das konkrete Ziel der neuen Bundesregierung, 30 % Ökolandbau bis 2030 zu erreichen, würden Einfluss auf die Produktivität der landwirtschaftlichen Erzeugung in Europa haben.
Stimmen
„Weitere Innovationen im Pflanzenbau und der Pflanzenzüchtung sind daher dringend erforderlich, um Ertragseinbrüche zu vermeiden. Dafür brauchen wir auch geeignete Werkzeuge, die außerhalb Europas bereits zum Standard gehören, wie beispielsweise die Genschere CRISPR/Cas”, so Dr. Henning Ehlers, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Raiffeisenverbandes.
Und Dr. Carl-Stephan Schäfer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter, betont, dass die Züchtung einer neuen Pflanzensorte im Durchschnitt zehn bis 15 Jahre dauert. Daher bräuchten die Pflanzenzüchter eine Arbeitsgrundlage, die ihnen ermöglicht, alle zur Verfügung stehenden Methoden verantwortungsvoll so einzusetzen, dass dieser Prozess verkürzt und der Landwirtschaft dringend benötigte Sorten kurzfristig bereitgestellt werden können.
Udo Hemmerling, stellvertretender DBV-Generalsekretär, sieht dies ebenso und wünscht sich, dass Landwirte schneller weiterentwickelte Pflanzen nutzen können. Für Olivier Kölsch, Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, steht dagegen eine verlässliche Rohwarenverfügbarkeit in Zukunft im Vordergrund. Sein Anliegen ist es, dass eine hochwertige und nachhaltige Nahrungsmittelproduktion in Europa sichergestellt ist.
Um die genannten Ziele und Herausforderungen anzugehen, fordern die Verbände die Bundesregierung der 20. Legislaturperiode auf, sich für eine zeitnahe Anpassung des europäischen Gentechnikrechts an den wissenschaftlichen Erkenntnisstand, verbunden mit einem wissenschaftsbasierten gesellschaftlichen Dialog, einzusetzen.
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Kritik von VLOG
Unterdessen findet heute die EU-Konferenz „Modern Biotechnogies in Agriculture“ statt. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides hatte hierzu in einem Brief an „Ohne Gentechnik“-, Bio- und Umweltverbände geschrieben, dass im laufenden Konsultationsprozess alle Optionen in Betracht gezogen würden, inklusive einer Beibehaltung des Status Quo. Das würde bedeuten, dass auch neue Gentechnik weiterhin reguliert bleibt.
Alexander Hissting, Geschäftsführer des Verbandes Lebensmittel Ohne Gentechnik (VLOG) mahnt in dem Zusammenhang, dass eine Gentechnik-Deregulierung keine Option sei. Er sieht die gentechnikfreien Lebensmittel „massiv bedroht, wenn mit neuer Gentechnik erzeugte Pflanzen ungetestet und ungekennzeichnet auf den Markt kämen“. Gentechnikfreie konventionelle und Bio-Produkte wären nicht vor Kontamination sicher. Ein Verlust von Verbrauchervertrauen und massive wirtschaftliche Einbußen wären die Folge, so Hissting.
Genauso wichtig sei eine Gentechnik-Kennzeichnung, denn nur sie gewährleiste Kontrolle über die Warenketten und die Wahlfreiheit, so der VLOG-Geschäftsführer weiter. Die Kommission müsse daher ihre Deregulierungspläne für neue Gentechnik umgehend stoppen.