Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Eurotier 2024 Seelische Gesundheit Wolf

Flächen quasi enteignet

Landwirt verzweifelt: Biber machen aus Wiese stehendes Gewässer

Als "Enteignung" und "Wiedervernässung zum Nulltarif auf Kosten der Landwirte" werten Bauern in Baden-Württemberg die Tatenlosigkeit der Ämter bei Biberschäden.

Lesezeit: 5 Minuten

Die starke Vermehrung der Biber führt zunehmend zu Konflikten mit der Landwirtschaft. Die Schwäbische Zeitung berichtet eindrucksvoll von einem Beispiel aus Brenden bei Wolfegg im Landkreis Ravensburg.

Hier hat sich die Wiese von Landwirt Wilfried Leuter (54) zu einem mehr oder weniger stehenden Gewässer gewandelt. Es sei schon fast ein kleiner Weiher. Verantwortlich dafür ist der Biber. Da die Flächen in der Region sehr eben sind, konnte der Dammbauer mit minimalem Aufwand sehr viel Land unter Wasser setzt, berichtet der Landwirt der Zeitung.

Mittlerweile sind 5 ha vom Hochwasser betroffen; 2 ha Agrarland fallen bei Wilfried Leuter raus, die er nicht mehr bewirtschaften kann. Auch die angrenzenden Nachbarn seien betroffen. „Das war bestes Grünland. Gerade in den trockenen Sommern war es hier immer feucht und ich hatte wunderbares Futter für meine Tiere“, schildert er. „Der Biber zerstört hier mein Eigentum – und ich will das nicht. Aber die Behörden können anscheinend nichts tun.“

Der Grundbesitzer ärgert sich über den nach wie vor hohen Schutzstatus. Dieser ist seiner Meinung nach nicht länger tragbar, weil es in der Gegend einfach zu viele Biber gebe. Leuter verlangt daher eine Lockerung der Richtlinien.

Landesbauernverband registriert riesige Schäden

Das sieht auch der Landesbauernverband Baden-Württemberg so: „Biber richten enorme Schäden in landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Kulturen an. Die Schäden entstehen teilweise durch die Überschwemmung landwirtschaftlicher Nutzflächen, teilweise durch Fraßschäden, teilweise durch Zerstörung der Uferbereiche durch Untergraben und Aushöhlen“, sagt Horst Wenk, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Verbands.

In Forstkulturen schälen die Nager zudem einzelne Bäume, sodass die Wasserzufuhr unterbrochen wird und die Bäume absterben, sagte Wenk der Schwäbischen weiter. Er meint, dass beim Biber angesichts tausender in Baden-Württemberg lebender Exemplare nicht mehr von einer bedrohten Tierart gesprochen werden kann.

„Da der Biber keine natürlichen Feinde hat, wird er sich weiter vermehren, wenn keine Regulation der Population erfolgt. Eine Absenkung des Schutzstatus halten wir daher für notwendig“, so Wenk. Er fordert, den Biber ins Jagdrecht aufzunehmen.

Grünes Umweltministerium lehnt ab

Ganz anders bewertet die Lage das baden-württembergische Umweltministerium von Thekla Walker (Grüne). Es verweist darauf, dass die Bundesländer keine abweichenden Regelungen vom EU-Schutzstatus erlassen können. Auch „die Aufnahme des Bibers in das Jagdrecht würde an dem strengen Schutzstatus der Art nichts ändern, so dass auch nach der Aufnahme ins Jagdrecht keine Bejagung stattfinden dürfte“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage der Schwäbischen Zeitung.

Das sieht der CDU-Landtagsabgeordnete Raimund Haser aus dem Wahlkreis Wangen-Illertal anders. Er sieht Möglichkeiten, auf EU-Ebene eine Herabstufung des Schutzstatus des Bibers zu erreichen, weil die Population stabil ist. Vorbild könnte die jüngste Lockerung beim Wolf sein. „Wir schützen keine Rehe und keine Forellen, warum also sollten wir am Schutzstatus von Tieren wie Biber, Kormoran oder Wolf festhalten, wenn das Ziel des Arterhalts erreicht ist?“, fragt er.

Es gehe nicht um Treibjagden oder um eine Obergrenzendiskussion, sondern um pragmatische, rechtssichere Lösungen im Einzelfall, so Haser. „Die müssen möglich sein, ohne jedes Mal den Teufel an die Wand zu malen.“

Bayern macht es vor

Aus seiner Sicht könnte eine Entnahme des Bibers auch jetzt schon deutlich einfacher erfolgen. „Die Regelungen der Naturschutzgesetzgebung sind viel flexibler als man denkt“, sagt Haser und verweist auf die bayrischen Nachbarn. Denn es gibt eine Ausnahmeregelung im Bundesnaturschutzgesetz, die es erlaubt einen Biber zu entnehmen, wenn beispielsweise ernste land- oder forstwirtschaftliche Schäden drohen und bereits alle anderen Maßnahmen keine zufriedenstellende Lösung erbracht haben.

In Bayern hat man von dieser Ausnahme im Jahr 2023 über 2.000 Mal Gebrauch gemacht. Im Südwesten sind in diesem Jahr überhaupt erstmals zwei Biber mit offizieller Genehmigung entnommen worden.

Wie geht es nun bei Landwirt Leuter weiter?

Für das Regierungspräsidiums Tübingen als zuständige Höhere Naturschutzbehörde kommt ein Abschuss jedenfalls nicht in Frage. Dort heißt es, alle milderen Möglichkeiten müssten vorher versucht worden oder aus bestimmten Gründen nicht anwendbar sein.

Und das Umweltministerium verweist auf sein 2004 gestartetes Bibermanagement mit vielen ehrenamtlichen sowie hauptberuflichen Biberberatern. Diese könnten Landwirte vor Ort beraten und Maßnahmen zur Lösung erarbeiten. „Bei der hohen Biberpopulation seien nachhaltige Lösungen zwingend, da bei einer Entnahme innerhalb kurzer Zeit das Revier sonst wiederbesetzt wird“, erklärt die Sprecherin.

Betroffene können mit dem Amt sprechen, ob der Einbau von Dammdrainagen bei Überschwemmungen den Wasserpegel senken kann. Bei einzelnen Härtefällen bestehe zudem die Option, dass das Land die betroffenen Flächen erwirbt und dem Landwirt eine andere zum Tausch anbietet.

Ausgleichsflächen oder evt. Ökopunkte als Angebot

Bei Landwirt Leuter in Brenden haben dagegen mehrere Präventionsmaßnahmen wie die Dammdrainagen nicht gewirkt, schreibt die Zeitung weiter. Und die ihm vom Land angebotene Ausgleichsfläche in 20 km Entfernung war dem Landwirt zu weit weg. „Ich fahr doch nicht 20 km zum Mähen, wenn ich meine eigene Wiese 500 m weg vom Hof hab“, sagt er. Er habe Fixkosten für diese Fläche, auf denen er gerade sitzen bleibe. „Das sind ungefähr 12.000 € im Jahr, wenn ich das Futter, das ich durch die überflutete Fläche verliere, zukaufe.“ Leuter konnte nun vom Nachbarlandwirt Fläche zupachten.

Am Ende tat sich dann doch noch eine Chance auf Entschädigung auf. Die Untere Naturschutzbehörde hat ein naturschutzfachliches Konzept für die Grünlandfläche in Auftrag gegeben. Wenn das final steht, könnte Leuter über sogenannte Ökopunkte einen Ausgleich bekommen.

Am Ende bleibt das Grundproblem: Der Biber treibt die Wiedervernässung der Moore voran - kostenlos für den Staat, aber auf Kosten der Landwirte. Landwirt Leuter stellt klar, dass es nun mal seine Fläche und sein Eigentum sei. „Für mich fühlt sich das manchmal an wie eine Art Enteignung.“

vg-wort-pixel
top + Bestens informiert zur EuroTier 2024

Über 60 % sparen + Gewinnchance auf einen VW Amarok sichern!

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.