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Tierwohl versus Klimaschutz: Schafft die Geflügelbranche beides?

Die Geflügelbranche kann nach und nach auf höhere Haltungsstufen umsteigen, sagt PHW-Chef Peter Wesjohann. Dafür müssen die Verbraucher aber mitziehen und die rechtlichen Rahmenbedingungen passen.

Lesezeit: 5 Minuten

Peter Wesjohann ist Chef der PHW-Gruppe, zu der unter anderem die Geflügelfleischmarke Wiesenhof gehört. Im Interview mit top agrar fordert er, dass bei der Diskussion um mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit mehr wissenschaftliche Fakten berücksichtigt werden.

Herr Wesjohann, das Thema Nach­haltigkeit könnte die Diskussionen um höhere Haltungsformstufen mit dem Fokus auf mehr Tierwohl künftig in den Hintergrund drängen? Mit welcher Entwicklung rechnen Sie?

Wesjohann: Nachhaltige Ernährungssysteme zu schaffen ist essenziell. ­Dabei steht die Sicherung und Steigerung des Tierwohls im Zielkonflikt zum Umweltschutz. Geflügel, das in Haltungsform 3 oder 4 aufgezogen wird, verbraucht während der Mast mehr Ressourcen als Geflügel aus Stufe 2. Dann kann der CO2-Fußabdruck ansteigen.

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Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite spiegelt sich im Kaufverhalten der Konsumenten wider. Der Verbraucher entscheidet, was und wie produziert wird. Einerseits beobachten wir, dass im Laufe der Jahre beim Verbraucher hinsichtlich der Haltungsbedingungen ein höheres Bewusstsein entstanden ist. Andererseits kauft der Großteil der Konsumenten weiterhin preisbewusst ein.

Wir könnten im Geflügelbereich schon heute bei vielen Landwirten auf Haltungsstufe 3 umstellen. Das Problem sind die politischen Rahmenbedingungen, sie passen nicht. Zudem fehlt zum Teil die Nachfrage und eine an­gemessene Honorierung.

Schnell gelesen

  • Geflügelhalter könnten mehr Tierwohl in ihren Betrieben umsetzen. Derzeit fehlt aber die entsprechende Nachfrage für Fleisch aus ­höheren Haltungsformstufen.

  • Nachhaltigkeit wird neben dem Tierwohl in der Geflügelfleischproduktion künftig stärker in den Mittelpunkt rücken.

  • Potenzial sieht die Branche vor allem ­bei der Auswahl des Futters. Rund 70 % der Emissionen fallen im Bereich des ­Futters an.

  • Solar-Anlagen auf den Stalldächern ­tragen zu einer nachhaltigen Energie­gewinnung bei. Das senkt den CO2-Fußabdruck weiter.

Die Futterverwertung hat großen Einfluss auf den CO2-Fußabdruck. Gibt es in der konventionellen Hähnchenmast überhaupt noch Möglichkeiten, die ­Effizienz weiter zu verbessern?

Wesjohann: Wir haben sechsmal den CO2-Fußabdruck für Geflügelfleisch entlang der gesamten Wertschöpfungskette ermittelt. Der aktuellste Wert liegt für das Berechnungsjahr 2017 vor. Er liegt bei 2,2 kg CO2e pro kg Hähnchenfleisch (Netto-Schlachtgewicht).

Rund 70 % der Emissionen fallen im Bereich des Futters an. Neben der fortlaufenden Optimierung der Futterverwertung, die aber nie zulasten der Tiergesundheit oder des Tierwohls gehen darf, ist eine gesicherte Herkunft des Futters aus entwaldungsfreien ­Gebieten eine weitere Möglichkeit, die Emissionen des eingesetzten Futters zu reduzieren.

Welches Potenzial sehen Sie in der ­Produktion in höheren Haltungsstufen mit langsamer wachsenden Rassen?

Wesjohann: Durch den Einsatz von langsamer wachsenden Rassen wird zwar die Biodiversität gefördert. Eine längere Aufzuchtdauer und eine höhere Futterverwertung führen aber zu steigenden Emissionen.

Nachhaltigkeit muss ganzheitlich ­gedacht und alle Dimensionen müssen ­berücksichtigt werden. Wissenschaftsbasierte Fakten sind in diesem Zusammenhang zwingend notwendig und keine ideologisch geführten Diskussionen.

Bedeutet das, dass Sie in Zukunft nicht auf höhere Haltungsformen setzen?

Wesjohann: Ganz im Gegenteil: Wir sind bereits jetzt führender Anbieter der Haltungsform 3 bei Hähnchen und wollen die Geflügelhaltung weiterentwickeln. Ein wesentliches Zukunftsziel in unserer Unternehmensgruppe ist der strukturelle Ausbau der Haltungsstufe 3 und die Intensivierung unserer Produktion von Produkten aus der Haltungsstufe 4. Mit der damaligen Einführung unseres Privathofkonzeptes bei Hähnchen haben wir maßgeblich die Grundlagen für die jetzige Haltungsform 3 gelegt.

Durch Zuchtfortschritt bei langsam wachsenden Rassen kann auch hier die Futterverwertung weiter verbessert werden. Das Privathof-Konzept (Haltungsstufe 3) haben wir ebenfalls auf das Segment der Pute ausgedehnt.

Mehr Nachhaltigkeit könnte zulasten der Wirtschaftlichkeit gehen. Sehen Sie diese Gefahr auch?

Wesjohann: Nachhaltigkeit bedeutet, Umweltansprüche, gesellschaftliche Wünsche und wirtschaftliches Handeln ressourcenschonend ins Gleichgewicht zu bringen. Wichtig ist uns, Zielkonflikten in den drei Bereichen der Nachhaltigkeit mithilfe einer ganzheitlichen Betrachtung zu begegnen und immer im Sinne des Kreislaufgedankens zu handeln.

Was die Geflügelbranche dringend braucht, sind einheitliche und politische Rahmenbedingungen mindestens auf EU-Ebene. Es darf nicht zu weiteren strukturellen Marktverzerrungen und Wettbewerbsnachteilen kommen.

„Geflügel aus HF 3 oder 4verbraucht mehr Ressourcen als HF 2-Tiere.“
Peter Wesjohann

Abgesehen vom Futter und der eingesetzten Genetik im Stall: Gibt es für Geflügelhalter weitere Ansatzpunkte, mit denen sie die Nachhaltigkeit ihrer Erzeugung verbessern können?

Wesjohann: Auf jeden Fall. Ein großer Hebel ist die nachhaltige Energiegewinnung. Rund zwei Drittel unserer selbstständigen Vertragslandwirte sind hier aktiv. Einige haben bereits vor rund 15 Jahren angefangen, Solarplatten auf den Stalldächern zu errichten.

Auch in der PHW-Gruppe handeln wir immer mehr in Kreisläufen. Ein wesentlicher Aspekt ist die Weiterverarbeitung von Output-Stoffen, die während der Aufzucht entstehen und sehr wertvoll sind. Der Mist aus der Hähnchenhaltung wird beispielsweise für die Biomethangasproduktion genutzt.

Zudem sind wir immer im Austausch mit Universitäten und Technologieanbietern. Aktuell wird beispielsweise ein spezieller Einstreuzusatz zur Ammoniakreduzierung in einigen Geflügelställen unserer Partnerlandwirte getestet. Zudem unterstützen wir Partnerbetriebe bei der Einführung von Energieeinsparmöglichkeiten wie zum Beispiel den Einsatz von Wärmetauschern.

Eine weitere Verbesserung der Tiergesundheit kann beispielsweise durch ein KI-basiertes Tierwohlmonitoring erreicht werden.

Wo setzt das Unternehmen Wiesenhof an, um Ressourcen zu schonen und die Geflügelfleischerzeugung zukunftsfähig zu machen?

Wesjohann: Unsere Marken-DNA in der Unternehmensgruppe Wiesenhof ist 5 x D. Unser Kernmarkt ist ganz klar Deutschland und wir arbeiten hier mit rund 1.000 selbstständigen Vertragslandwirten zusammen.

Zukunftsfähige Geflügelhaltung heißt für uns, den Agrar- und Wirtschaftsstandort Deutschland mit allen Mitteln zu erhalten. Im Sinne der Nachhaltigkeit verarbeiten wir jedes einzelne Tier vollständig. Schlachtnebenprodukte werden zu hochwertigen Eiweißprodukten sowie Fetten weiterverarbeitet, u. a. für die Tierhaltungsbranche. Am Ende starten wir damit einen komplett neuen Wertschöpfungsprozess.

Auch den Mist aus den Geflügelställen verarbeiten wir energetisch weiter. Das Endprodukt ist ein standardisierter Wirtschaftsdünger, der erneut in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann.

Um die Geflügelhaltung in Europa und damit auch in Deutschland nachhaltig zukunftsfähig zu erhalten, ist es wichtig, dass wir auf europäischer Ebene endlich einen Rechtsrahmen schaffen, der für alle Mitgliedsländer gleichermaßen gilt.

Wenn nur einzelne Länder höhere Standards verfolgen, führt das am Ende dazu, dass die Importe steigen und heimische Produkte nicht mehr marktfähig sind. Und das führt durchschnittlich zu weniger Tierwohl, zu weniger Ernährungssicherheit, zu mehr Umweltbelastung in Deutschland und auch zu weniger Nachhaltigkeit. Das darf nicht sein.

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