Eine Erholung des ukrainischen Agrarsektors von den Zerstörungen durch die russische Invasion könnte einem ukrainischen Forschungszentrum zufolge bis zu 20 Jahre dauern. Je länger der Krieg andauere, desto mehr verliere die Ukraine ihre Ressourcen für eine Erholung des Agrarsektors, heißt es in einem Bericht, den die Kiewer School of Economics jetzt veröffentlicht hat.
Die finanzielle Lage und der nötige Arbeitseinsatz für die Landwirtschaft wären 2023 überfordert. Den Berechnungen der Forscher zu Folge könne der Agrarsektor auch nach sieben Jahren Frieden nicht das landwirtschaftliche Produktionsniveau erreichen, dass es vor dem Krieg gegeben habe.
Produktion von Sonnenblumen, Gerste, Weizen bis 2040 erholt
Mit Hilfe der Marktkräfte könnte sich der Anbau von Sonnenblumen, Gerste und Weizen voraussichtlich bis 2040 auf das Vorkriegsniveau erholen und danach bis 2050 eventuell wieder wachsen, schlussfolgern die Forscher.
Für Mais, Roggen, Hafer und Raps prognostizieren sie hingegen, dass sich diese erst im Jahr 2050 wieder vollständig erholt haben könnten. Die Produktion von Soja werde wohl enorm zurückgehen und sich nicht mehr erholen, schreiben die Forscher.
Bedeutung von Mais wird steigen
Es wird erwartet, dass Mais, Weizen und Gerste bis zum Jahr 2050 die wichtigsten Nutzpflanzen in der Ukraine bleiben. Mais wird voraussichtlich an Bedeutung gewinnen und eine deutlich größere Bedeutung haben als Weizen und Gerste.
In ähnlichem Umfang wie die Produktion zurück geht, werde auch der Export von Ölsaaten zurück gehen, heißt es. „Das bedeutet, dass es bis zu 20 Jahre dauern kann, bis die Ukraine nach den Zerstörungen durch den russischen Angriff ihre Stärke in der Landwirtschaft wiedererlangt hat“, fasst der Bericht zusammen.
Vor der russischen Invasion betrug die Anbaufläche für Getreide in der Ukraine rund 24 Mio. ha und für Ölsaaten 9 Mio. ha. Im Jahr 2022 sanken die Flächen auf 18 bzw. 7 Mio. ha. Da der Krieg andauert, rechnen die Forscher mit einem weiteren Rückgang der Anbaufläche für Getreide auf 17 Mio. ha und für Ölsaaten auf 6 Mio. ha.
Modell setzt Ende des Krieges noch 2023 an
Das Modell der Forscher geht davon aus, dass bei einem Ende des Krieges im Jahr 2023 die Anbauflächen sich im Zeitlauf bis 2050 auf das Vorkriegsniveau zurück entwickeln können. Sie halten es für möglich, dass dann zusätzliche Flächen für Ölsaaten und Getreide mobilisiert werden, auf denen vor dem Krieg Gemüse und Industriepflanzen standen.
Seit dem Beginn des Krieges im Februar 2022 beobachtet und forscht das Agrocenter der Kiewer School of Economics zu den Auswirkungen des Krieges auf die ukrainische Landwirtschaft. Das Zentrum hat nach eigener Darstellung zusammen mit der ukrainischen Regierung und anderen Think-Tank-Institutionen aktiv bei der Bewertung von Verlusten und Schäden für die ukrainische Landwirtschaft mitgewirkt. Zudem betreibt es eine regelmäßige Überwachung der Ernährungssicherheit in der Ukraine und analysiert die Reaktionen auf die Agrarpolitik in Kriegszeiten. Außerdem erstellt es Prognosen zur zukünftigen Entwicklung der ukrainischen Agrar- und Lebensmittelmärkte.