Die meisten Erzeugerinnen und Erzeuger haben sich schon vor dem Jahreswechsel vom Großteil ihrer Getreide- und Rapsernte 2022 getrennt. Etliche haben zudem schon Vorkontrakte für Teilmengen der erwarteten Ernte 2023 abgeschlossen. Das war aus heutiger Sicht richtig. Die Pariser Terminkurse starteten schwach ins Jahr 2023, auch am Kassamarkt herrschte zuletzt mehr Ruhe als erwartet:
- Das Inlandsgeschäft und der Handel innerhalb der EU ruhten nahezu. Die meisten Verarbeiter in Deutschland und angrenzenden EU-Ländern legen bis in den Januar hinein in puncto Rohstoffkauf eine saisonale Pause ein. Das gilt besonders für die Mühlenindustrie.
- Der Export beruhigte sich ebenfalls. Für bestehende Kontrakte gab es zwar Verladungen in den deutschen Seehäfen. Neuabschlüsse sollen jüngst kaum noch zustande gekommen sein. Branchenkenner begründen dies mit Konkurrenz aus Russland und der Ukraine.
Export wird schwieriger
Dass sich die Lage am Weltmarkt zu unseren Gunsten kurzfristig -ändern wird, ist nicht sehr wahrscheinlich. Beobachter rechnen in der zweiten Saisonhälfte mit einem zunehmenden Angebot aus Australien, da dort eine große Weizenernte eingefahren wurde.
Und die Ukraine wird ohnehin auch künftig alles daransetzen, möglichst viel der noch vorhandenen Lagerbestände an Weizen, Mais und Ölsaaten zu exportieren. Hinzu kommt russischer Weizen – auch jener, der in der Ukraine gestohlen wurde. Dieser drängt weiterhin auf den Weltmarkt und wird den EU-Exporteuren das Leben schwer machen.
Hinsichtlich der russischen Exporte gehen die Meinungen aber auseinander. Das US-Agrarministerium (USDA) geht in seinen jüngsten Prognosen auch von hohen Mengen aus. Glaubt man allerdings den Zahlen russischer Agenturen, wird der Markt von dort sogar regelrecht geflutet. Ob das nur Propaganda ist oder nicht, werden erst die kommenden Monate zeigen. Etliche Beobachter halten die Moskauer Zahlen für „viel zu ambitioniert“.
Zudem bedeutet Konkurrenz nicht, dass die EU völlig ins Hintertreffen gerät. Viele unserer traditionelle Abnehmer, z. B. auf den afrikanischen Kontinent, sind auf Importe angewiesen. Auch deutsche Anbieter wittern gute Chancen, mit hochwertigen Partien in Drittländern zum Zuge zu kommen.
Inlandshandel nimmt zu
Die Preisentwicklung bei uns hängt überdies nicht nur von der Situation am Weltmarkt ab. Spielraum nach oben könnte es auch geben, wenn die heimischen Verarbeiter ihre saisonale Zurückhaltung aufgeben und ihre Rohstoffvorräte ergänzen. Die Mischfutterindustrie tut dies normalerweise stetig.
„Einige Firmen haben zuletzt allerdings weniger geordert als üblich, weil sie auf günstigen Mais aus der Ukraine spekulierten“, sagt ein westdeutscher Makler. Für ihn ist es deshalb keine Frage ob, sondern wann die Nachfrage zunimmt. Auch die heimischen Mühlen werden sich nach seiner Meinung schon relativ zeitnah um ihre Anschlussversorgung kümmern müssen.
Vorkontrakte abschließen?
Falls es so kommt, sollten Sie die Gunst der Stunde nutzen und mit Ihrem Handelspartner auch über Vorkontrakte zur Ernte 2023 sprechen. Das gilt für Getreide und für Raps. Beobachter empfehlen, jetzt ca. 20 bis 25 % der voraussichtlichen Erntemengen vertraglich zu binden und die Mengen im weiteren Verlauf langsam zu erhöhen.
Für Panikverkäufe gibt aber keinen Grund. Daran ändern auch die optimistischen und extrem frühen Ernteprognosen eines recht handelsnahen EU-Verbandes nichts. Zudem erwarten Beobachter in der Ukraine nur eine sehr kleine Ernte und entsprechend wenigen Exportdruck von dort.