Die Spatzen pfiffen es schon lange von den Berliner Dächern: Cem Özdemir hat mächtig Lust aufs Ministerpräsidentenamt in seinem Heimatland Baden-Württemberg. Bis in die vergangene Woche hatte der grüne Bundeslandwirtschaftsminister und Politprofi aber stets abgewunken und auf seine Aufgabe in der Ampel verwiesen. Nun heißt es offiziell „Cem 2Ö26“ und manch Einer fragt sich, wie sich der neue Kandidatenjob und die alte Rolle als Agrarminister im verbliebenen knappen Jahr der Ampel unter einen Hut bringen lassen.

Viele unfertige Baustellen

Und in Özdemirs Ministerium gibt es viele unfertige Baustellen: Die Tierhaltungskennzeichnung bisher ein Rohbau, das Waldgesetz ein halbfertiges Holzgerüst und die Umsetzung von Artikel 148 GMO bestenfalls ein renovierbedürftiges Mehrfamilienhaus mit vielen zerstrittenen Mietern, die sich gegenseitig das Wasser abdrehen. Vom Tierschutzgesetz ganz zu schweigen.

Das sind nur einige der großen Projekte, die der Agrarminister in seiner Amtszeit angeschoben, aber (noch) nicht abgeschlossen hat. Die Verantwortung dafür liegt nicht allein auf seinen Schultern. Dafür ist auch die Ampel verantwortlich, bei der seit Anfang an nicht alle Farben im Takt schalten. Im letzten Viertel der Legislatur sind sogar Kurzschlüsse und Havarien nicht mehr zu übersehen. Kein Wunder, dass der politische Verkehr dann nicht vernünftig fließt.

Neue Aufgaben reizen mehr

Aber die Frage bleibt, wie Özdemir nun auf zwei Hochzeiten tanzen will, ohne dass eine Seite ins Hintertreffen gerät. Die Erfahrung lehrt auch, dass eine neue Aufgabe stets mehr reizt als die alte. Zumal die Gefechte in Berlin oft genug ohne Sieger bleiben und nicht selten mit den eigenen Koalitionspartnern ausgefochten werden müssen.

Es würde daher nicht wundern, wenn der Bundesminister nun den Ball in Berlin flach hält, wo es für ihn und die flackernde Ampel ohnehin nicht mehr viel zu gewinnen gibt. Für manche Kritiker wäre das eine Bestätigung, galt Özdemir ihnen doch schon immer als „Ankündigungsminister“. Die Wahrscheinlichkeit, dass bis zur Bundestagswahl noch viel strukturierte Politik im Sinne von Bauern und Verbrauchern gelingt, dürfte seit Özdemirs Bewerbung zum Landesvater von Baden-Württemberg jedoch gesunken sein.